SmartSens Erprobung im Vereinsbetrieb

Vom 19.07. bis zum 13.09.2020 ist eine längere Erprobung des SmartSens Systems beim LSV Rheine-Eschendorf sowie bei der Airbus Segelflug Gemeinschaft Bremen am Flugplatz in Tarmstedt durchgeführt worden. Insgesamt wurden 260 Windenstarts mit 77 verschiedenen Piloten und 11 Windenfahrern durchgeführt. Die folgenden beiden Grafiken zeigen die Verteilung der Starts und der verschiedenen Flugzeugtypen auf die beiden Vereine sowie die Überlagerung der Seilkraft- und Höhenprofile der der schwereren Flugzeuge (nur Doppelsitzer). Die Messdaten aller Starts stehen als PDF Datei zum Download zur Verfügung. 

Verteilung der Starts nach Verein und Flugzeugtyp
Überlagerung der Kraft- und Höhenprofile

Typisches Seilkraft- und Höhenprofil

Die folgende Grafik zeigt ein typisches Seilkraftprofil eines recht optimalen Schlepps einer ASK21, hier aufgenommen am 29.07.2020 in Tarmstedt. Die graue Kurve zeigt den Verlauf der Seilkraft. Direkt offensichtlich ist eine überlagerte Schwingung im Kraftverlauf mit ca. 1,5-2s Periodendauer und einer maximalen Amplitude von hier ca. 100daN. Diese Schwingung ist typisch und in vielen der aufgenommenen Starts zu beobachten, unabhängig vom Typ der Startwinde und unabhängig davon ob Stahl- oder Kunststoffseile verwendet werden. Da die Darstellung der sich schnell ändernden Seilkräfte auf dem Empfangsgerät sich als störend für den Windenfahrer herausgestellt hatte, ist daraufhin im Empfangsgerät ein Tiefpassfilter auf die Kraftverläufe aufgeschaltet worden um die Kurve entsprechend zu glätten. Diese gefilterte Anzeige entspricht der roten Kurve im Diagramm. Die grüne Kurve zeigt das Höhenprofil. Im unteren Teil der Abbildung ist der Verlauf der Steigrate in blau dargestellt.

Seilkraft und Höhenprofil vom Start einer ASK21 in Tarmstedt

Zu Beginn des Schlepps ist nach dem Anschleppen ein hoher Kraftpeak zu beobachten, verursacht durch die Beschleunigung des Flugzeuges am Boden bis zum Erreichen der Abhebegeschwindigkeit. Danach geht die Seilkraft stark zurück bei flachem Steigwinkel des Flugzeuges und hoher und weiter zunehmender Seilgeschwindigkeit. Mit höher werdendem Steigwinkel im Übergangsbogen geht die Seilgeschwindigkeit nun stark zurück und die Seilkraft nimmt gegensätzlich stark zu. Nach dem Übergangsbogen nimmt bei konstanter Leistungsstellung an der Winde die Kraft weiter langsam zu bis durch die gleichmäßige Rücknahme der Leistungseinstellung an der Winde für abnehmende Seilkräfte sorgt. Beim Ausklinken ist die Seilkraft dann logischerweise bei 0.

Der Verlauf der Steigrate (blaue Kurve) zeigt einen starken Anstieg bis zum Maximum am Ende des Übergangsbogens. Danach nimmt die Steiggeschwindigkeit recht linear ab, beim Ausklinken selber ist sie 0. Dieser lineare Rückgang der Steigrate lässt sich bei allen “guten” Schlepps beobachten.

Ausklinkhöhe in Bezug auf Kraftintegral und Windkomponente

Zwei offensichtlich entscheidende Parameter für die Effektivität und damit die erreichbare Ausklinkhöhe des Windenstartes sind die Windkomponente und die Größe der Fläche unter der Seilkraftkurve (Kraftintegral). Daher ist bei der nachfolgenden Darstellung die Ausklinkhöhe über dem Kraftintegral (Total Impulse) dargestellt. Die Windkomponente ist repräsentiert in der Größe des jeweiligen Bubbles. Jeder Bubble entspricht einem Windenstart.

Ausklinkhöhe über Kraftintegral

Die Abhängigkeiten sind offensichtlich zu sehen, je größer das Kraftintegral und je höher die Windkomponente desto höher ist tendenziell auch die Ausklinkhöhe. Entscheidend ist allerdings nicht nur die Größe des Kraftintegrals, sondern auch in welchen Phasen des Windenstartes welche Kräfte auftreten. Hohe Kräfte in den frühen Phasen des Steigfluges haben einen viel höheren Einfluss als hohe Kräfte gegen Ende des Schleppvorgangs.

Interessant zu sehen ist, dass allerdings signifikante Windkomponenten auch bei den niedrigeren Starts auftreten. Umgekehrt sind auch etliche Starts mit Ausklinkhöhen > 400m bei nur moderatem Wind zu erkennen. Die hohe Varianz von > 200m in der Ausklinkhöhe lässt vermuten, dass sich bei optimalem Zusammenspiel von Windenfahrer und Pilot im Mittel deutlich höhere Ausklinkhöhen erreichen lassen.

Varianz höchste und niedrigste Starts

Im folgenden sind die Höhen- und Kraftprofile der höchsten Starts (in blau) und die niedrigsten Starts (in rot) übereinandergelegt, jeweils getrennt nach den schweren Doppelsitzern und den leichteren Einsitzern. Für die Doppelsitzer wurden jeweils 10% aller dokumentierten Starts berücksichtigt, bei den Einsitzern aufgrund der geringeren zur Verfügung stehenden Datenmenge 25%. Der “Synchronisationspunkt” der einzelnen Kurven ist der Zeitpunkt an dem 50m Starthöhe erreicht sind. Der Mittelwert der einzelnen Kraftkurven wird durch die breitere Kraftlinie dargestellt.

Varianz zwischen den höchsten und niedrigsten Starts

Auch hier ist wieder zu erkennen, bei den hohen Starts herrschen die höheren Kräfte vor. Bei den Einsitzern ist allerdings auch gut zu sehen, dass auch bei einzelnen der niedrigen Starts recht hohe Kräfte auftreten – allerdings erst gegen Ende des Schleppvorganges wo die hohen Kräfte keinen signifikanten positiven Effekt mehr haben. Weiterhin ist zu erkennen, dass die höheren Starts eine längere Schleppzeit haben. Dies ist natürlich einerseits zu erklären durch den Effekt des Windes. Weiterhin sind dies allerdings auch die Starts in denen der Höhenverlauf ein deutlich bauchiges Profil aufweist. dieser “Bauch” entspricht einer Verlängerung der Wegstrecke den das Flugzeug während des Schlepps zurücklegt und mit Verlängerung der Wegstrecke verlängert sich natürlich auch die Schleppzeit. Im Gegensatz dazu, ist bei den niedrigeren Starts oft zu beobachten, dass das Höhenprofil relativ linear ausfällt. Es wird also flach “dem Seil hinterher geflogen”. Interessant ist auch der Vergleich der Mittelwertkurven. Bei den Doppelsitzern ist der Verlauf zwischen roter und blauer Linie bis ca. 100m Flughöhe nahezu identisch, wogegen bei den Einsitzern die rote Linie direkt nach dem Abheben des Flugzeuges deutlich flacher verläuft als die blaue. Eine Aspekt der Erklärung könnte sein, dass die Doppelsitzer Starts bei den Windenfahrern deutlich besser trainiert sind. Zudem werden die Doppelsitzer an den Winden häufig einfach mit “Vollgas” geschleppt. Bei den Einsitzern hingegen könnte es sein, dass bei den Windenfahrern eine deutlichere Unsicherheit über die optimale Leistungsstellung der Winde vorherrscht.

Starts mit (zu?) hohen Seilkräften

10 Starts von LS4 und DG300 mit Seilkräften über 600 daN

Die Grafik zeigt 10 Starts mit der LS4 und DG300 gestartet in Rheine-Eschendorf. Wenn die blaue Sollbruchstelle eingeklinkt gewesen wäre, hätte sie in diesen Fällen wahrscheinlich ausgelöst. Dies wäre in Höhen zwischen ca. 120m und der maximalen Schlepphöhe passiert. Interessant, dass nur 20 Starts insgesamt mit diesen Flugzeugtypen in Rheine dokumentiert sind, eine Überlastung der blauen Sollbruchstelle hätte also in 50% dieser Starts stattgefunden.

ASK21 mit 1.000 daN Seilkraft Peak

Dieses Profil ist der Start der ASK21 in Rheine an einem Tag mit signifikantem Wind. Die schwarze Sollbruchstelle war geklinkt und hätte auslösen dürfen. 1.000daN lassen sich allerdings üblicherweise mit der 250PS starken Tost Winde nicht motorisch erzeugen, dass geht nur bei sehr niedrigen Drehzahlen der Trommel, also bei Gegenwind und/oder gegen Ende des Schleppvorganges. Diese Schlepp war mit 462m Ausklinkhöhe der höchste dokumentierte Start insgesamt.

Starts mit (zu?) niedrigen Seilkräften

Die folgenden drei Profile sind Beispiele für wahrscheinlich zu niedrige Kräfte während des Schleppvorganges. Das Höhenprofil der ASK23 sieht eigentlich gar nicht schlecht aus, wir sehen den bauchigen Verlauf und den recht linearen Rückgang der Steigrate. Allerdings ist die Seilkraft mit ca. 200daN deutlich zu niedrig. Hier wären sicherlich um die 100m  Ausklinkhöhe mehr drin gewesen bei etwas höherer Leistungsstellung an der Winde.

Auch bei der DG300 sehen wir dass zu Beginn des Startes das Kraftniveau deutlich zu gering ist. Eine signifikante Steigrate stellt sich erst ab ca. Mitte des Schlepps ein, bei dann deutlich höheren Seilkräften.

Die ca. 400daN zu Beginn des Arcus Schlepps sind auch deutlich zu niedrig für das schwere Flugzeug. Auch hier stellt sich erst in der 2. Hälfte des Startes mit höheren Seilkräften wieder ein vernünftiger Höhenverlauf ein.

Bei allen drei Starts ist zu beobachten, dass die Höhenverläufe nach dem Übergangsbogen deutlich flacher werden. Bei diesen Starts hat wahrscheinlich die Geschwindigkeit der Flugzeuge nach dem Übergangsbogen aufgrund der niedrigen Kräfte immer weiter abgenommen, bis die Piloten den Steigwinkel korrigiert haben und flacher gesteuert haben. Dies sind dann sicher auch die Situationen bei denen, falls vom Piloten nicht entsprechend reagiert wird, es relativ schnell zu überzogenen Flugzuständen aufgrund zu niedriger Geschwindigkeit kommen kann.

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